Galerie für Kulturkommunikation
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Wir stellen in unregelmässiger Folge neue Texte von Elisabeth Simon, Berlin, vor. Der neueste Text beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld von Kunst und Kommerz. Textprobe:
"Das kleine Griechenland, das Schmuddelkind der EU war die Wiege unserer Demokratie. Das Kernland Athen war in der Lage , dem großen persischen Reich zu trotzen, wie uns der geniale Althistoriker Christian Meier in seinem Buch Athen nahe gebracht hat. Was hielt diese Demokratie zusammen? Ein Besuch des Theaters war Bürgerpflicht. Der Besuch jedes Bürgers wurde, man würde heute sagen subventioniert, denn er solle das Theater besuchen und die dort verbrachte Zeit wurde bezahlt, denn sie brachte den Menschen die Katharsis, die Emotionen ausleben und Seelen heilen sollte und damit zum Wohlergehen der Menschen und ihrer Umgebung beitrug. Ein politischer Ansatz, der bei dem einzelnen Menschen beginnt. Aber nicht nur das - dieses Theater trug zu einer Blütezeit der Kreativität bei, in der ganzen Kunst, in der Dichtung, im sozialen Gefüge. Die Gestaltung Roms lebt vom griechischen Erbe und wer bliebe heute noch unberührt von den Tragödien des Sophokles, die menschliche Grunderfahrungen vermitteln.
Nun ist die Förderung der Kunst und Kultur in Deutschland, ja Europa viel reichhaltiger als im antiken Griechenland, aber hat sie ähnliche Ziele? Sie kann Katharsis auslösen und sie kann Kreativität fördern. Es ist vielfach nachgewiesen, dass Kunst zu neuen Erkenntnissen und damit neuen Ideen führt. Kunst und Kultur, neue Dichtung, neue Lebensräume waren der treibende Faktor im neuen Europa. Traduki, Wien wollte die völlig unbekannte Literatur mitteleuropäischer Länder durch Übersetzungen fördern, damit sich in diesem neuen Europa ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt, das der Kreativität dieses Kontinents abseits von aller Verachtung für Alteuropa neue Impulse gibt. Davon sind wir weiter denn je entfernt. Dass sich dieses Europa in Verhandlungen mit TTIP einlässt, die dieses Kulturverständnis nicht teilt, und damit dem Europa, so wie es gedacht war, den Boden entzieht, gehört zu den großen Scheußlichkeiten dieses Jahres.
Kultur wird aber weiter gefördert, in Deutschland wie in Frankreich. Also scheint man nicht ganz vergessen zu haben, dass die Förderung der Kultur dem Zusammenhalt dient und der Entwicklung von Kreativität – Knete ist noch vorhanden! Wie aber wird sie verteilt? Kommt sie wirklich jedem Bürger zugute wie die Förderung des Theaterbesuches im antiken Griechenland? Was wissen wir von den Zielen der zahlreichen Gremien, Jura genannt, deren Zusammensetzung sehr oft nicht klar, deren Richtlinien der Beurteilung nicht sichtbar sind. Deutlich wird, dass die Förderungsmöglichkeiten von der erreichten Menge der Zuhörer bzw. der Zuschauer abhängt und da kommt jener kleine Verdacht des Populismus auf, der auf eine möglichst hohe Menge zielt. Die aber will unterhalten werden und so verdrängt dieser Wunsch immer mehr die Ziele kultureller Förderung. Unterhaltung ist aber nicht Sache des Staates, es sei denn er hat als Diktatur diese populistischen Ziele, man denke nur an Kraft durch Freude des nationalsozialistischen Regimes. Förderung, auch wenn sie lokal gefärbt in Berlin Knete genannt wird, muss Ziel und nicht Klientele gerichtet sein und mag einem das eigene Netzwerke noch so sehr am Herzen liegen. Diese Gefahr ist aber bei der heute so oft zitierten Netzwerkbildung offensichtlich. Dann nämlich gehen die Ziele künstlerischen Förderung verloren, Zusammenhalt und Kreativität zu locken, zu fördern und sie zu Wachstumsfaktoren und dies nicht nur ökonomischen einer Massengesellschaft zu machen, die sich von der im antiken Griechenland unterscheidet aber in ihrer Humanitas gleich ist. Wenn man an den früheren Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten in Berlin denkt, kommt der Verdacht auf, dass Förderung ein gutes Mittel der politischen Imagebildung ist. Dass man damit immer in die Nähe des Populismus gerät, wird in Kauf genommen. Knete hat sich von der Kunst entfernt. Konkrete Richtlinien und Zielvorgaben mit einem Wechsel der Förderung baut damit der Gefahr vor, große Kunst wie eh und je außen vor zu lassen. Wie war es mit Mozart und seinem Armenbegräbnis oder Schubert, der seine Winterreise nie gehört hat oder Wagner, den nur sein königlicher Förderer vor einem Daueraufenthalt im Schuldturm bewahrt hat. Eigentlich sollten wir diese Zustände verlassen haben. Wir wissen alle, dass keiner seiner oder ihrer Zeitgenossen die hohe Kunst eines Van Gogh oder einer Modersohn- Becker, deren Bilder nur von ihrem Ehemann und Rilke gekauft wurden, erkannt hat und trotzdem sollte die Gegenwart mit ihren reicheren Mitteln der Finanzierung wenigstens teilweise die Ideen zu unterstützen, die große Künstler wie diese immer umgetrieben haben.
Nicht umsonst unterscheidet der Volksmund zwischen Kunst und Kommerz, dem der Topos vom armen Künstler innewohnt. Aber Förderung der Kunst, die letztendlich dem Kommerz dient und sei es nur mit der Vermietung von öffentlichen Räumen, die mit Öffentlichen Mitteln erbaut der Gemeinschaft gehörten, vernebelt die Ziele öffentlicher Kulturförderung und macht sie damit zu dem, was TTIP forderte, zu einem Verkaufsprodukt."